Vom zweifelhaften Nutzen der Teamwertung in einer Individualsportart

Zuschauer, Sportfans und Sponsoren lieben Teamwertungen. Während das Individuum fehlbar ist, bieten Teams eine attraktive Projektionsfläche fürs Wir-Gefühl. „In France, we say On est champions du moooonde! “ stimmt Pierre-Jean Borniche, Franzose, Hobbypilot und damit indirekter Sieger der Teamwertung der letzten Europameisterschaft, dieser These zu.

Wie gerecht oder ungerecht die Teamwertung an einem FAI1-Wettkampf wie z.B. der letzten Europameisterschaft ist, erhitzt die Gemüter. Ausführliche Diskussionen dazu findet man im englischsprachigen Gleitschirmforum. Anlass zur aktuellen Diskussion bot die Änderung der Regel zur Teamwertung. Während bis 2007 jeweils die Ergebnisse der drei besten Piloten einer Nation je Lauf gewertet wurden, gilt seit 2008, dass die drei zu wertenden Piloten je Nation vor dem Wettkampf bestimmt werden müssen.

Ziel dieser Regeländerung war, mehr Gerechtigkeit in der Teamwertung für die sogenannten kleineren Gleitschirmnationen herbeizuführen, die nicht über ein so grosses Reservoir an Weltklassepiloten verfügen wie z.B. die Schweiz.

Gerechtigkeit hin oder her – aus meiner Sicht ist eine Teamwertung in einer Individualsportart wie dem Gleitschirmfliegen Unsinn.

Eine Teamwertung, egal nach welcher geltenden Regel, ist in den heutigen Wettkämpfen eine reine Rechenübung. Im Vordergrund steht nach wie vor die Individualleistung der Piloten. Der Fliegerei in einem Team sind bei den derzeit geltenden Bestimmungen so enge Grenzen gesetzt, dass sie für das Ergebnis keine grosse Rolle spielt.

Klar, im Team kann man sich bei einer EM oder WM über Funk Informationen zukommen lassen. (Das ist bei Individualwettkämpfen, wie den Weltcupanlässen, nicht möglich und sogar verboten.) Doch aus meiner Erfahrung kann ich sagen: der Effekt dieser Infos auf meine Fliegerei ist minimal. Viel wichtiger ist nach wie vor die Beobachtung aller Piloten im Feld, egal welcher Nation, welcher Schirmmarke, welchen Geschlechts.

Klar, im Team kann meinen einen Piloten „opfern“, ihn vorausschicken um die Bedingungen zu erkunden, die vor den Piloten liegen. Doch dieses Opfer ist von allen anderen auch beobachtbar und damit gleichermassen nutzbar.

Regeln, die eine taktische Kooperation, und damit wirkliches Teamfliegen ermöglichen, gibt es hingegen heute nicht. Sind Teamwettkämpfe, also Teams gegen Teams, im Gleitschirmfliegen überhaupt möglich?

Es fällt mir schwer, dazu funktionierende Szenarios zu entwickeln. Vielleicht im Flachland, wo man Gruppen leichter separieren kann als in den Bergen? Aufgaben ohne vorgegebene Bojen, sondern mit dem Ziel der Maximierung geflogener Kilometer in einem bestimmten Sektor? Stafetten in begrenzten und rundkurstauglichen Gebieten wie La Palma?

Für sachdienliche Hinweise aufs Gleitschirmfliegen als wettkampftaugliche Mannschaftssportart bin ich dankbar. Im Ernst – wenn uns hier etwas Vernünftiges einfällt, haben wir die Chance, mehr Publikum, Medien, Sponsoren für unseren Sport zu begeistern. Und endlich die Diskussion über das rechnerisch beste „Team“ ad acta zu legen.

Vize-Europameister 2008 in der Mannschaftswertung: die Schweiz. – Kurioserweise waren Medaillen nicht nur für die drei gewerteten Piloten, ihren Ersatzmann und den Teamchef vorhanden, sondern auch weitere Schweizer Piloten, Helfer und Köche wurden mit Edelmetall bedacht. Macht mich der Medaillenbesitz nun zur Team-Vizeeuropameisterin?